Influencerin Valentina Vapaux erklärt die Generation Z (2024)

Die deutsch-mexikanische Influencerin Valentina Vapaux hat mit 20 Jahren ein Buch über ihre Generation geschrieben. Seither gibt sie Interview um Interview und vertritt junge Menschen an Podien. Dabei ist sie keineswegs repräsentativ.

Matthias Niederberger

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Mit nur 22 Jahren hat Valentina Vapaux bereits ein Praktikum bei der «New York Times» gemacht, einen Politik-Podcast moderiert und sich zu einer der bekanntesten Influencerinnen Deutschlands gemausert. 85000 Follower auf Tiktok. 90000 Follower auf Instagram. 140000 Abonnenten auf Youtube. Für Facebook ist sie zu jung.

Sie war schon in New York und Mexiko, aber vor unserem Gespräch noch nie in Zürich. Wir sitzen in einem vegetarischen Restaurant, sie trinkt Matcha Latte. Mit der überdimensionalen Brille und dem Wollpullover, aus dem der Hemdkragen hervorlugt, sieht sie aus wie eine Hogwarts-Schülerin aus den Harry-Potter-Büchern.

Ach ja, ein Buch hat Valentina Vapaux auch schon geschrieben. «Generation Z – zwischen Selbstverwirklichung, Insta-Einsamkeit und der Hoffnung auf eine bessere Welt» ist eine essayistische Auseinandersetzung mit Internet, Influencern, Sex, Liebe, Aktivismus, Politik, Freiheit und Drogen. Also mit allem, was junge Menschen so beschäftigt.

Seit der Veröffentlichung vor zwei Jahren gehört Vapaux vor allem in Deutschland zu den beliebtesten Interviewpartnerinnen, wenn es um die «Gen-Z» geht. Überall wird sie an Podien eingeladen, um ihre Generation zu vertreten. Dabei sagt sie von sich selbst: «Eigentlich bin ich eine schlechte Repräsentantin.»

Keine Generation von Klima-Klebern

Tatsächlich fragt man sich, weshalb jemand die Generation Z repräsentieren soll, dessen Alltag nichts mit jenem der meisten 12- bis 26-Jährigen zu tun hat. Vapaux studiert literarisches Schreiben in Hildesheim, einer Stadt südlich von Hannover. Ihr Traum ist es, Gedichte und Romane zu veröffentlichen. Als Journalistin, erfolgreiche Influencerin und queere Autorin verkörpert Vapaux eine urbane, progressive, gebildete Schicht junger Menschen. Das macht sie zwar zu einer interessanten, aber nicht zu einer repräsentativen Gesprächspartnerin.

Trotzdem hat sich Vapaux das Deuten ihrer Generation zur Aufgabe gemacht. In ihrem Buch heisst es, sie habe es satt, dass 60-jährige Babyboomer ihre Generation erklärten. Vapaux echauffiert sich über die «Steinzeit-Feuilletonisten» und den «Kultur-Jürgen», der keine Ahnung von Jugendkultur habe. Vor allem aber finde sie es schade, dass so «von oben herab» über ihre Themen – also jene der Generation Z – geschrieben werde.

Die Medien stilisierten extreme Jugendbewegungen hoch, während gemässigte Stimmen nicht zu Wort kämen. «Es wird so getan, als ob unsere gesamte Generation aus Klima-Klebern besteht», sagt Vapaux. Doch selbst in ihrem links-grün geprägten Umfeld könnten sich die wenigsten damit identifizieren. Wegen der «reisserischen» und «herablassenden» Berichterstattung fühle sich ihre Generation falsch wahrgenommen, was letztlich zu mehr Spaltung und Konflikten in der Gesellschaft führe.

Wenn sie argumentiert, geht es meist um die Gesellschaft. «Ich bin keine Soziologin», sagt Vapaux. Aber sie hört sich an wie eine. Stets analytisch, nachdenklich, bedacht. Nur selten wird sie emotional, etwa wenn man sie fragt, weshalb ihre Generation so egozentrisch sei und Selbstverwirklichung über alles stelle: «Wir sind überbehütet aufgewachsen, die ganze Wirtschaft ist auf uns ausgerichtet, alle wollen die Generation Z für sich gewinnen. Da fragt man sich noch, weshalb wir so ichfokussiert sind?» Der Vorwurf stimme aber zugleich nur bedingt. Gerade bei der Klima- oder der «Black Lives Matter»-Bewegung, die zu einem grossen Teil von Gen-Z-Personen getragen würden, gehe es vordergründig um das Wohl anderer Menschen.

Gegenmodell zu Gesundheit-Influencern

Ihre Generation sei «f*cking Social-Media-süchtig», ist eine weitere Erkenntnis von Vapaux. Als ich ihr vorrechne, dass sie seit sieben Jahren, also etwa ein Drittel ihres Lebens, auf Social Media unterwegs sei, reagiert sie mit «Oh, Gott». Vapaux und Social Media, das ist eine Beziehung mit Hochs und Tiefs. Als Influencerin verdient sie damit ihr Geld, aber Vapaux musste auch schon «detoxen», weil sie das Internet zu stark vereinnahmt hatte.

Influencerin Valentina Vapaux erklärt die Generation Z (2)

Das überrascht nicht, wenn man sieht, wie stark Vapaux die Follower an ihrem Leben teilhaben lässt. In einem mit Triggerwarnung versehenen Youtube-Video ist beispielsweise zu sehen, wie sie und ihr damaliger Freund sich trennen. Nachdem er sich verabschiedet hat, bricht Vapaux in Tränen aus. Die Kamera bleibt an. Eine für Sender und Empfänger gleichermassen unangenehme Situation.

Viele Social-Media-Creators propagieren einen übertrieben produktiven und gesunden Lebensstil. Vapaux hingegen trinkt, raucht, konsumiert gelegentlich Drogen – und sie spricht offen darüber. Man kann dieses Zurschaustellen von Lastern und intimsten Momenten als Selbstinszenierung abtun. Aber indem Vapaux sie mit allen teilt, wird sie zum Gegenmodell zu all den glücklichen, disziplinierten Health- und Fitness-Influencern, die ihren Tag mit einem Work-out starten und einem Good-Night-Sellerie-Smoothie beenden. Trotz – oder gerade wegen – der offensichtlichen Inszenierung wirkt sie authentischer als viele ihrer Kollegen, die ihren Followern Realität vorgaukeln.

Sie stehe zu ihren Lastern, sagt Vapaux, wolle sie aber nicht glorifizieren. Doch das tut sie natürlich. Auf Instagram-Bildern posiert sie lasziv in Unterwäsche, die Zigarette im Mund, wie ein Filmstar vergangener Zeiten.

Ist Booktok das neue Feuilleton?

Vapaux sagt, früher habe sie ihre intimsten Momente geteilt, heute tue sie das nicht mehr. Auf Instagram, Youtube und Tiktok redet sie mittlerweile fast nur noch über Literatur. Unter dem Hashtag #Booktok, einer Sub-Community auf Tiktok, finden sich im Eiltempo gehaltene Buchkritiken, persönliche Bücherlisten und Diashows, welche die Stimmung eines Buches veranschaulichen sollen. Meist sind es junge Frauen, die über Literatur sprechen.

«Für meine Generation ist Booktok das Feuilleton», sagt Vapaux. Die Hemmschwelle, über Literatur zu diskutieren, sei tiefer, ein Video zu schauen, weniger einschüchternd, als die Zeitung aufzuschlagen. Sie findet: «Literaturkritik muss auf Augenhöhe sein.»

Dem Vorwurf, auf Social Media würden Bücher kaum kritisiert, nur gelobt, kann Vapaux nichts abgewinnen. Vor allem auf Instagram gebe es viele kritische Stimmen. Sie selbst lässt sich nicht von Verlagen einspannen, lobt und verreisst Bücher, wie es ihr passt. Dabei gehe es nicht um Objektivität, sondern um Gefühle. Das sei gewollt: «Mich interessiert mehr, was jemand beim Lesen fühlt, als die Frage, ob ein Buch handwerklich gut gemacht ist.»

Dann stösst sie versehentlich ihre Tasse um. Flüssigkeit breitet sich auf dem Tisch aus. Das Notizbuch des Feuilletonisten wird langsam vom Matcha Latte zersetzt.

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